Kein Hauch von Leben – zur Ware degradiert

Ich wollte eigentlich nur eine Runde spazieren gehen. Zwischen all den Regenschauern hatte kurzzeitig die Sonne hervorgelugt. Und die Gelegenheit wollte ich wahrnehmen. Ich ging eine Landstraße entlang, die für den Autoverkehr gesperrt war und entdeckte dieses grüne, unscheinbare Gebäude, aus dem Tierschreie klangen. „Wertvoller Schweinebestand“ gab mir ein Schild zu verstehen. Wie gehen Menschen mit etwas um, was ihnen wertvoll ist?

Konzentrationslager Schweine
eine ganz normale deutsche Mastanlage

Normalerweise hätte ich wohl nicht den Mut gehabt, durch das Tor zu gehen und durch die Fenster in den Stall zu luken. Angestiftet hatte mich zweierlei:

  • Zum einen wollte ich mich endlich einmal mit eigenen Augen überzeugen von dem, was man immer wieder in Berichten und auf Tierschutz-Websiten liest. Dies hier war wohl ein ganz normaler Stall, wie sie tausendfach in Deutschland zu finden sind. Auch kein besonders riesiger, trotzdem stand ein fetter Gülle-Silo gleich nebenan.
  • Zum anderen hatte ich gerade heute morgen einen Artikel von Stefan Bröckling (Peta) gelesen, der in Nacht-und Nebenaktionen in Ställe geht und das Leid und Leben von Schweinen, Hühnern und Kühen dokumentiert. Mich hatte sein Mut schlichtweg inspiriert.

Ich sah also das, was ich befürchtet hatte: zusammengepferchte Schweine, im eigenen Kot liegend, übereinander kletternd, auf dem schmierigen Fußboden ausrutschend, ohne die Möglichkeit ein Hauch vom echten Leben da draußen jemals zu erfahren. Ein paar Schweine bemerkten mich am Fenster und schauten vom Dreck auf, ein Tier versuchte sich aufzurichten, aber es wollte ihm nicht gelingen. Wieder hörte ich ein Tier schreien.

Wie lang mag ich da gestanden haben? Vielleicht nicht einmal eine Minute, aber nun weiß ich, was es heißt, Augenzeuge zu sein. Denn vor mir hatte ich keine bewegten Bilder auf dem Monitor, sondern echte Lebewesen, die ein kummervolles Dasein fristeten. Ich musste weinen. Ich hab die Menschen in Frage gestellt.

Diesen Schweinen geht’s ja noch gut!

Später habe ich meine Aufnahmen ein paar Freunden gezeigt. Ein kurzer Blick auf mein Material und sie meinten einstimmig: Ach, das ist ja noch gar nicht so entsetzlich. Es gibt viel schlimmere Zustände! Wie traurig hat mich dieser Kommentar gemacht!

Ist etwas erst dann verurteilenswert, wenn es alle Grenzen von Würde und Lebensrecht hinter sich lässt? Gibt es nur noch Mitleid für das Ultraextreme? Reicht nicht schon allein die Vorstellung, dass diese Tiere niemals Erde unter ihren Füßen spüren? Niemals die Düfte des Windes erschnuppern können? Niemals spielen dürfen, miteinander herumtollen?

Hat jemand von euch schon einmal tagelang, wochenlang das Zimmer nicht verlassen dürfen? Schlafen, essen, koten, urinieren, alles im selben Raum? Mit soviel Bewegungsfreiheit wie du selbst groß bist. Es stinkt, es ist halbdunkel, es gibt nichts zu tun und es gibt keine Freiheit, kein Entkommen. Und wenn eines Tages jemand am Fenster steht und mit einer Kamera auf dich hält, dann verstehst du sicherlich noch nicht einmal, was das bedeuten kann, da „draußen“ zu sein.

 

Ach, der Mensch, wie tut er nur?
Wie kann er so herzlos handeln?

Wie können wir wieder unsere Augen und Herzen öffnen?

 

3 Responses

  1. Leider gibt es noch genug Menschen, die Schweine und andere Tiere nicht mehr als eine Ware sehen. Sie denken nicht daran, dass auch Schweine, Kühe oder auch Fliegen Lebewesen mit Gefühlen sind. Man soll jetzt nicht komplett auf Fleisch verzichten, aber zumindest steht den Tieren eine gerechte Haltung zu.

    Einfach nur traurig so etwas anschauen zu müssen!!!

  2. Ein gelungener knapper und direkter Artikel, ich hätte fast geweint, weil er mich so berührt hat, weil ich es den Schweinen so nachempfinden kann und es so grausam finde, was das angeblich „intelligenteste“ Lebewesen auf Erden für Verbrechen begeht. Das was jeder einzelne tun kann, ist ein faires und kompromissloses Verbraucherverhalten zu entwickeln…dann wäre einiges schon besser.
    Letztendlich ist es doch so, dass alles was man einem anderen Wesen an Leid oder guter Taten zufügt auf einen selbst zurückfällt.
    Danke für diesen ungeschönten ehrlichen Artikel!

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