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+ Friedensdefinitionen         

Was versteht man unter dem Begriff Frieden? Ist es die bloße Abwesenheit von Krieg, oder steckt da mehr dahinter? Außerdem Friedenszitate.

+ Friedensliteratur              

Geschichten, Gedichte, Texte und Lieder über den Frieden und für eine bessere Welt. Da glaubt man manchmal der Traum ist ganz nah.

+ Friedenstheorien             

Vorstellung verschiedener Friedenstheorien und -strategien. Unter anderem Kants Schrift "Zum Ewigen Frieden".

+ Personen                              

Seit jeher gibt es Menschen, die sich in unterschiedlichster Form für den Frieden einsetzen - und dazu gehören nicht nur die Nobelpreisträger.

+ Utopie oder Wirklichkeit?   

Ist Frieden nur ein ewiger aber nie zu erreichender Traum? Kann es eine Realität des Weltfriedens geben?

 

UTOPIE KONKRET

 

ein Artikel von Antje Schrupp

 

"Etwas gegenläufige These: Utopien müssen nicht  möglichst konkret sein, sondern möglichst unkonkret. Und zwar deshalb, weil es im Bezug auf politische Veränderung mehr auf die Vermittlung einer Idee ankommt als auf die Genialität und Richtigkeit einer Idee.

 

Gute Ideen haben wir ja genug. Es gibt hervorragende Konzepte, wie eine bessere Welt sein kann. Gleichzeitig lässt sich selbst das simpelste Zeug nicht umsetzen, weil es in den herkömmlichen Strukturen (auch Denk-Strukturen) nicht möglich ist.

Ich glaube, dies ist ein Misserfolg einer bestimmten männlichen Weise, Politik zu machen. Ich habe ja politische Ideengeschichte studiert und mich immer gefragt, warum Frauen in diesem Gebiet praktisch nicht vorhanden sind – anders als in anderen Gebieten.

 

Die politische Ideengeschichte, und daran beteiligen wir uns ja hier auch mit diesem Kongress, ist eine Abfolge von genialen männlichen Denkern, die sich mit ihren Theorien voneinander abgrenzen, wobei jeweils die Söhne die Väter ablösen und sich damit wechselseitig einen Platz in der Geschichte verschaffen – Aristoteles und Platon, Hegel und Kant, Marx und Hegel usw.

Ihre Theorien sind in der Tat beeindruckend, aber es ist inzwischen ja allgemein bekannt, dass es bei der konkreten Umsetzung dieser Ideen in der Realität ziemlich hapert. Was sich auf der theoretischen Ebene als Kampf von Vätern und Söhnen um den Besitz der Wahrheit äußert, äußert sich auf der alltäglichen, konkreten Ebene konsequenter Weise ebenso als Kampf und Krieg.

 

Je konkreter eine politische Idee, je genauer ausgearbeitet eine Utopie, desto schwieriger ist die Vermittlung und das führt dazu, dass sie nicht mehr stattfindet, sondern dass man sich über Strategien ihrer Durchsetzung Gedanken macht, die vielleicht mehr oder weniger blutig sind, aber immer instrumentell.

 

Inzwischen sind wir sogar so weit, dass schon der Begriff der Vermittlung instrumentell verstanden wird, denken wir nur an die Bundesregierung und Hartz IV.

 

Mein Vorschlag ist deshalb, Utopien möglichst unkonkret zu halten, damit die Möglichkeit einer wirklichen Vermittlung gegeben ist, und Vermittlung bedeutet eben: Dass sich das Begehren der anderen in Freiheit mit meiner Idee, meiner Utopie verknüpfen kann.

 

Dass das funktioniert, hat die Frauenbewegung gezeigt. Deren Utopie heißt: Frauen sind frei, das Patriarchat ist zu Ende.

Diese Idee entzündete, obwohl sie ganz unkonkret ist, das Begehren vieler Frauen, die sie auf sehr unterschiedliche Art und Weise und teils sogar gegensätzlich füllten. So bedeutet weibliche Freiheit und das Ende des Patriarchats für die einen die Abschaffung der Geschlechter, für die anderen die Rückkehr der großen Muttergöttin. Aber diese gegensätzlichen Konkretisierungen einer gemeinsamen Utopie haben der Frauenbewegung keineswegs geschadet, im Gegenteil, sie ermöglichten es, ganz unterschiedlichen Frauen mit ihren jeweiligen Erfahrungen, Meinungen, Vorstellungen sich ganz persönlich mit dieser Idee zu verbinden.

 

Die feministische Utopie: Frauen sind frei, das Patriarchat ist zu Ende, ist zwar unkonkret, sie ist aber keineswegs illusorisch. Sondern sie ist im Gegenteil sehr real. In dem Moment, wo eine Frau dem Gedanken, dass Frauen frei sind, einen Ort in ihrem Kopf einräumt, in dem Moment ist sie frei. In dem Moment ist das Patriarchat zu Ende. Die weibliche Freiheit ist eine Realität, und sie wird es in dem Moment, wo sich das Begehren einer Frau mit dieser Utopie verknüpft.

 

Dass die weibliche Freiheit eine Realität ist, bedeutet nicht, dass sie flächendeckend durchgesetzt ist. Es bedeutet, dass sie real ist, dass sie Auswirkungen hat, dass sie die Welt verändert.

 

Die Frauenbewegung ist die erfolgreichste soziale Bewegung, die wir je hatten, in nur dreißig Jahren hat sie das Verhältnis von Frauen und Männern so grundlegend verändert, dass jüngere Frauen sich heute schon gar nicht mehr vorstellen können, wie es früher, vor der Frauenbewegung war. Und das ist ihr gelungen, obwohl sie nicht im entferntesten ein einheitliches Programm zustande gebracht hat. Ich glaube, es ist ihr genau deshalb gelungen.

 

Wie hat es funktioniert? Sie hat sich nicht auf Ideen und politische Positionen konzentriert, sondern auf die Arbeit der Vermittlung. Ihre politische Praxis ist die Praxis der Beziehungen. Frauen haben ihre Utopie von der weiblichen Freiheit in die Welt getragen, indem sie neue Beziehungen geknüpft haben – vor allem mit anderen Frauen – und indem sie alte Beziehungen gelöst und verändert haben – vor allem die zu Männern. Es ist eine politische Praxis, die in erster Person handelt, die sich nicht repräsentieren lässt.

 

In ihrer politischen Bedeutung ist diese Praxis der Beziehungen aber noch nicht erkannt worden. Das heißt, die Welt ist schon viel weiter, als die politische Ideen, die wir dazu haben. Dies ist das Thema, an dem ich mit anderen Feministinnen dran bin, wir nennen das: Arbeit an einer neuen symbolischen Ordnung. Einer Ordnung, die – zum Beispiel, das ist ein Punkt unter vielen – die Bedeutung einer Politik der Beziehungen herausarbeitet.

 

Für die Themen, die hier diskutiert werden und wurden, wäre mein Vorschlag also, die Utopien möglichst unkonkret zu halten. Zum Beispiel:

 

„Menschen sind reich“ (die Utopie/Realität: Frauen sind reich hat sich bei unserer Arbeit als sehr fruchtbar erwiesen).

oder auch:

„Das Leben hat einen Sinn“ oder:

„Arbeit macht Spaß“.

 

Wenn wir solche unkonkreten aber dennoch realen Utopien in die politische Diskussion einbringen, dann besteht die Möglichkeit, dass sich das Begehren der Menschen, mit denen wir sprechen, an ihnen entzündet. Dass sie sich in Freiheit mit dieser Utopie verbinden und sie damit real machen. Menschen, deren Begehren sich mit der Idee ihrer Freiheit und einer guten Welt verknüpft, die werden aktiv, die tun etwas, die verändern die Welt." (Artikel von Antje Schrupp)