Altbacken: Es war ein mal ein Bäckereihandwerk

Ich gehe in den Supermarkt und dort gibt es seit ein paar Jahren diese super praktischen Selbstbedienungskästen. Brötchen, Brote, Küchelchen. Manchmal noch ganz warm. Und frisch? Wohl kaum.

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Traditionelle Handwerksbäckereien sind immer seltener zu finden

 

Seit diesem Jahr studiere ich online Journalismus, um meine Schreibfertigkeiten ein bisschen auf Vordermann zu bringen. Natürlich müssen da auch „echte“ Artikel her, neben den üblichen Blogbeiträgen. Mein erster Anlauf galt dem Bäckereigewerbe. Ich esse jeden Tag Brot und fragte mich: Wo gibt es eigentlich überhaupt noch „echte“ Bäcker? Wo der Bäcker in seiner Stube sitzt, und den Teig mit bloßen Händen knetet? Die Antwort war erschreckender, als ich befürchtet hatte: Kaumwo.

bäckerei handwerk artikel Mein Artikel erschien in der ersten Ausgabe von „Unser Herzogtum“ und ist hier (S.26/27) nachzulesen.

 

Handwerksbäckereien vom Aussterben bedroht

Der Durchschnittsdeutsche vertilgt im Jahr rund 45kg Brot & Brötchen. Bei gleichbleibenden Verbrauch nimmt die Zahl der Bäckereibetriebe aber kontinuierlich ab. In den letzten 10 Jahren ist ein Rückgang von 20% zu verzeichnen. Da muss man kein Milchmädchen sein, um sich ausrechnen zu können, was das bedeutet: Weniger Betriebe, gleicher Verbrauch: heißt also mehr größere Betriebe oder Import aus dem Ausland. Beides ist der Fall.

Der weite Weg eines gedopten Brötchens

Dein Supermarkt um die Ecke bestellt im Distributionscenter in Berlin regelmäßig kiloweise Pakete Backwaren. Die hat es sich im Katalog ausgesucht. Zum Beispiel bei DewiBack, einer enorm großen Lagerhalle mit über 800 verschiedenen Sorten Brot, Brötchen und Kuchen. Berlin bestellt diese Lagerware bei einer Industriebäckerei in Polen (oder auch China). Dort steht eine riesige Industrie, die zigtausende Brote in einer Stunde produziert. Hunderte Meter Fließband-Backstraße. Maschinen kneten den Teig, Maschinen formen das Brot. Bäcker sind das nicht, die hier arbeiten, soviel ist gewiss. Nach einem Vorbackprozess werden die Brote eingefroren und anschließend verpackt. Manche frieren die Teiglinge auch roh ein. Das Problem an der ganzen Sache? Mal abgesehen davon, dass 1000e LKWs täglich durch Europa fahren, um dein Brot zum Supermarkt zu bringen – stoßen mir auch noch andere Sachen unangenehm auf:

  1. Die Brote und Brötchen sind oft mehrere Wochen oder gar Monate alt. Von frisch kann da keine Rede sein. Das ist quasi aufgewärmtes Essen.
  2. Der ganze Verpackungsmüll, der dabei entsteht & die Plastik, in die alles eingepackt wird.
  3. Vielfalt, Qualität und Wissen stirbt aus. In ganz Deutschland findet man in den Supermärkten dasselbe Brot. Ob nun Lidl, Aldi oder Edeka: sie alle werden vom gleichen Anbieter beliefert!
  4. Damit der Teig von Maschinen bearbeitet werden kann, braucht es Chemie. Unsere Brote aus dem Supermarkt werden mit einer endlosen Reihe an Zusatzstoffen, Enzymen und Backtriebmitteln versehen. Und keiner weiß so recht, was da alles drin ist.

Die Liste der erlaubten Stoffe ist lang. Oft müssen sie nicht einmal deklariert werden, weil sei beim Backen angeblich zerfallen, bzw. ja nur „technische Hilfsstoffe“ sind.

  • Bromat, Azodicarbonat, Benzoylperoxid, Calciumperoxid, Calciumcetat, Carboxymethylcelluose usw. sind zum Beispiel da für Feuchtigkeit, Geschmack, Haltbarkeit, Aussehen (Kruste), Volumen, Sensorik (Mundgefühl), Teiggängigkeit
  • Enzyme sind künstlich veränderte Eiweiße, haben ebenfalls so exotische Namen wie Amylasen (helfen beim Aufgehen), Proteinasen, Glucoseoxidasen, Peroxidasen, Lipoxigenasen, Xylanasen (für die Elastizität), Lipasen usw.

Und was ist eigentlich drin im Brot, beim guten alten Bäcker?

Mehl, Wasser, Hefe, Salz. That’s it!

 

Wo sind all die guten Bäcker hin?

Ich habe mich also aufgemacht, einen Exoten dieser bedrohten Menschenart zu besuchen & mir eine Backstube im Original angeschaut. Für die Fotoaufnahmen musste ich um 4 aus dem Bett, da war der Bäckermeister mit seinem Gesellen schon ein paar Stunden auf den Beinen. Um 2 Uhr nachts stehen die auf der Matte und sind bis 8 Uhr am werkeln (und bis Mittag dann mit Aufräumem beschäftigt…). Die Brötchen kommen gegen 4 Uhr in den Ofen, die Brote dann um 5. Ein Lehrling war dabei, die Kuchen zu zu bereiten, während der Bäckermeister und der Geselle per Hand die Teiglinge formten. Geredet wurde eigentlich gar nicht. Nur super beflissen gearbeitet. Zack zack, nächstes Brot!

Die Suche nach so einem echten Handwerksbäcker gestaltet sich auch etwas schwierig. Nicht alle Bäcker sind in der Innung, weil das extra kostet. In der Handwerkskammer müssten alle verzeichnet sein, aber die Online-Datenbanken wiesen auch hier massig Lücken auf. Dann gibt es so Initiativen wie brot-test.de, wo angeblich die „echten“ Bäckereien zu finden sind. Mein Kleinbäcker war da aber nicht aufgeführt, hingegen aber die Großbäckereien der Region. Eine telefonische Nachfrage ergab: in die Übersicht kommen die Bäckereien, die ihre Brote testen lassen. Dafür haben kleine Bäckereien natürlich auch wieder kein Geld! Und die Großbäckereien, sind die nicht vielleicht doch okay? Bei 150 bis 200 Filialen der typischen Großbäckereien… und gleichzeitig nur im Schnitt zwei bis drei Backstuben… kann sich wieder nicht nur das Milchmädchen ausrechnen, dass auch hier nicht „von Hand“ gebacken wird. (heißt: Zusatzstoffe im Brot, damit die Maschinen den Teig verarbeiten können. und heißt auch: eingefrorene Teiglinge die an die Verkaufsstellen geliefert werden…)

Tipp: Traditionelle Backstuben erkennt man am Namen. Die heißen noch Remmert, Oldenburg oder Heyderich… weil als kleine Familienbetriebe sie einfach ihren Namen verwenden. Auch können kleinere Bäckereien unmöglich mehr als 5 Filialen haben, um den Aufwand noch zu schaffen. Es gibt auf zeit.de auch eine Deutschlandkarte mit Handwerksbäckereien auf Kundenempfehlung – hier fehlen zwar auch eine Menge Backstuben, aber ein paar Referenzen klingen wirklich traumhaft:

Eigene Backstube hinter dem Verkaufsraum, der Bäcker kommt noch mit Körben und duftenden Brötchen in den Laden…… am Samstag und Sonntag stehen die Menschen aus dem Viertel und der Umgebung geduldig Schlange

 

Unser täglich Brot gib uns heute!

Und woran erkennt man nun ein gutes Brot? Leider nicht am Aussehen, denn die „Landbrot-Optik“ wird ganz einfach gefaked! Die aufgebackenen Brötchen schmecken mehr nach Pappe und werden super schnell hart. Wirklich frisches Brot hält sich länger! (Es sei denn es wurden Konservierungsmittel mit reingemischt…)

Ein Blick auf die Zutatenliste lässt auch schon erahnen, woher das Brot in Wirklichkeit stammt. Auch leuchten bei mir die Alarmlampen, wenn da Zucker mit drin ist.

Ein neues Smartphone kostet 100 bis 800 Euro. Wieviel Brote und Brötchen in guter Qualität könnte man sich anstelle dessen leisten? Sind gute Nahrungsmittel nicht das kostbarste, was wir haben?

 

6 Responses

  1. „Das Problem an der ganzen Sache? Mal abgesehen davon, dass 1000e LKWs täglich durch Europa fahren, um dein Brot zum Supermarkt zu bringen […]“

    Meinst du es würden nicht viel mehr LKW unterwegs sein, wenn beim heutigen Backwarenverbrauch viele, einzelne Bäcker mit den verschiedensten Zutaten beliefert werden müssten?

    • interessante Frage. die Idee ist ja, dass die Zutaten auch regional sind. wöchentliche Lieferungen, Anfahrtswege max. 50km – und eine regionale Mühle kann ja durchaus mehrere Bäcker beliefern. Von Warschau nach Berlin sinds 570 km, von Berlin nach Kiel 350 km – um mal einen Beispielsweg nachzuvollziehen… die Menge an Zutaten müssen vor Ort ja genauso beliefert werden: es summiert sich also LKW-Fahrt von den Zuliefererbetrieben zum Verteilungszenter zum Discounter zu den Anfahrtswegen der Zutaten zu dem Zuliefererbetrieb. Der wird nicht nur regional beziehen, weil er logischer Weise mehr Menge braucht..

      Ich weiß nicht, für mich klingt regional immernoch nachhaltiger?

  2. In Würzburg haben wir wenigstens 4 Bäckereien, die ich unter „gut“ einordnen würde: die Traditions- und Feinbäckerei Hanselmann, die Bäckerei Roth und die beiden Biobäcker Thyen und Köhler. Herr Köhler ist interessanterweise zudem ein guter Geschäftsmann, der mit seinen handwerklichen Waren ganz viele Menschen überzeugt und tatsächlich beginnt, den Großbäckern, von denen wir natürlich auch einige haben, im Sinne des Wortes ins (nichtvorhandene) Handwerk zu pfuschen. Freut mich. Außerdem ist er Mitglied beim Verband „Die Bäcker“ (http://die-bäcker.org/).

  3. Die kleinen Bäckereien muss man einfach unterstützen, weil es dort auch noch richtig kreative Brotsorten gibt. Man muss dort aber auch aufpassen. Es gibt viele Familienbetriebe, die haben auf Fertigmischungen umgestellt. Da wird also selbst gebacken, aber mit Fertigprodukten…

  4. Am Besten gefällt mir Dein Hinweis auf den allgemeinen Trend
    der Vermassung der Lebensmittel mit seinen ökonomischen Folgen.
    Aufklärung ist angesagt. Und dahingegen finde ich Deinen Artikel
    sehr gut!
    Ute

  5. Leider ziehen jetzt auch in Deutschland die Zustände ein, die die Vereinigten Staaten von Amerika schon seit mindestens zwanzig Jahren kennen. Die Auswahl an Brot ist gigantisch: schwarzer Schaumstoff, weißer Schaumstoff, wahlweise rund, kubisch oder im Quader, im Stück oder geschnitten …Dito bei Käse. Cheddar in hellem Gelb, dunklem Rot, geschnitten in der Kühltheke oder als besonderer Luxus an der Theke. Immerhin, beim Bier geht es seit einigen Jahren tatsächlich wieder aufwärts dank einer zunehmenden Zahl an Rebellen in nicht monopolisierten Randgebieten des Landes. Und beim Brot gilt das Baguette als kleiner Geheimtip.
    Wir alle haben uns freilich gegen die individuellen Bäcker entschieden.
    Schützen wir nach dieser Erfahrung jetzt wenigstens die nach wie vor phantastische Auswahl beim Käse und Wein.

    Übrigens danke für den Hinweis per Mailingliste. Liest sich ganz interessant.

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