Bedingungslose Liebe – bis zur Selbstaufgabe?

Ich bin gerade über ein Kleinod gestolpert: die Geschichte vom gebenden Baum, der alles gibt, was er hat, und dabei glücklich ist.

bedingungslose Liebe

Die Geschichte stammt aus dem Buch von Shel Silverstein: „The Giving Tree“, welches vordergründig für Kinder als Gute-Nacht-Geschichte konzipiert ist… aber tiefer gehende Fragen auslöst, die auch einen Erwachsenen ratlos machen. Sie handelt von einer Freundschaft zwischen einem Baum und einem Jungen. Zu Beginn haben sich beide sehr lieb, der Junge verbringt viel Zeit bei seinem Baum, klettert auf ihm herum und ruht sich in seinem Schatten aus. Mit dem Heranwachsen kommt er immer seltener zu Besuch. Und wenn, dann nur um Forderungen zu stellen. Er bräuchte Geld, er will ein Haus bauen, ob der Baum ihm denn nicht dabei helfen könne. Der Baum gibt ihm alles, was er zu geben vermag, bis von ihm selbst nichts mehr übrig ist. Bis der Baum nur noch ein Baumstumpf ist, und selbst dann ist er eine Stütze für den Jungen (der inzwischen ein alter Mann geworden ist). Und bei alledem ist er glücklich dabei. Glücklich zu geben und für den Jungen da zu sein.

Mich macht die Geschichte traurig und auch wütend. Vielleicht ist es als Metapher für die gebende Elternliebe gedacht. Und vielleicht ist eine Mutter oder ein Vater auch bereit, sich ganz für sein Kind aufzugeben. Und kein Danke zu erwarten, und glücklich zu sein, wenn es dem Kind gut geht. Lässt die Liebe den Menschen selbstlos werden? Gehört zur Liebe nicht auch die Selbstliebe dazu, also der Selbstschutz und das Mitgefühl für sich selbst?

Der Autor hat im Jahre 1973 das Buch selbst vertont und einen berührenden Kurzfilm entstehen lassen:

 

Mich erinnert das an ein altbekanntes Lied „Mein Freund der Baum“, das mich damals schon mit Wehmut meinen Lieblingsbäumen gegenüber erfüllte:

Mein Freund der Baum ist tot: Er fiel im frühen Morgenrot.
Du fielst heut früh. Ich kam zu spät.
Du wirst dich nie im Wind mehr wiegen, du musst gefällt am Wegrand liegen.
Und mancher der vorüber geht, der achtet nicht den Rest von Leben
…und reißt an deinen grünen Zweigen, die sterbend sich zur Erde neigen.

Wer wird mir nun die Ruhe geben, die ich in deinem Schatten fand?
Mein bester Freund ist mir verloren, der mit der Kindheit mich verband.

 

 

 

 

4 Responses

  1. Hallo Gabi

    Ich bin gerade auf deine Seite gestossen und hab unter anderem diesen Blogeintrag gelesen.

    Bedingungslose Liebe – was ist das? …….für mich ist bedingungslose Liebe, nicht die Selbstaufgabe und Aufopferung an einem anderen Menschen gegenüber. Nicht mal den eigenen Kindern – und ich hab selber 4 :-)

    Für mich ist bedingungslose Liebe, Mitgefühl für andere zu haben, da zu sein wenn jemand Hilfe braucht, zuhören wenn ein offenes Ohr gewünscht wird……..
    Nicht bis zur Selbstaufgabe – sondern so, das ich mich selber dabei nicht vergesse. Nur wenn es mir selber auch gut geht, kann ich wirklich für andere eine Unterstützung sein.

    Das gilt auch wenn man Kinder hat. Es geht nicht darum, stets abrufbar für die Kinder zu sein. Jederzeit zu springen. Das kann nicht gut gehen auf die Dauer.
    Wie wollen Kinder lernen, für sich eines Tages gut selber zu sorgen, wenn Eltern sich aufopfern für die Kinder?
    Ausserdem – wie wollen sie Dankbarkeit lernen, wenn ihnen alles vor die Füsse geworfen wird?
    Daher gehört es dazu, dass man sich selber Gutes tut – Zeit für sich nimmt. Um Kraft und Freude zu haben, den Mitmenschen Gutes zu tun.
    Selbstliebe ist wichtig – um wirklich andere zu lieben……

    Die Geschichte mit dem Baum seh ich als überspitze Metapher. Am Baum selber blieb fast keine andere Möglichkeit, als trotzdem Glücklich zu sein – auch wenn er dadurch total „ausgenutzt“ wird. Er kann ja schlecht „nein“ sagen – oder das er nun Zeit für sich braucht.
    Aergern nützt dem Baum auch nichts – und verändern kann er seine Situation ebenfalls nicht. Diese Möglichkeit haben nur wir Menschen.
    Also tut der Baum das, was er kann – in der Liebe bleiben.

    Finde deine Seite toll! Weiter so :-)

    liebe Grüsse Sarina

    • Hallo Sarina, danke für deine lieben Worte.
      Ja.. bedingungslose Liebe ist dann vielleicht: den anderen bedingungslos zu nehmen, als der Mensch, der er ist.
      Daraus muss ja dann nicht „alles für den andren tun“ resultieren…

      • Sehe ich genauso. Vor allem darf man nicht vergessen, dass die bedingungslose, also wahre Liebe auch einen selbst mit einschließt, sogar einschließen muss um überhaupt liebesfähig zu sein…. Die würde niemals eine Selbstaufgabe zulassen. (-; Für mich hat das eine eigentlich gar nichts mit dem anderen zu tun… Aber viele verwechseln bei diesem Thema Liebe mit etwas anderem….

      • Genau, das wollte ich auch gerade schreiben… Der Title des Beitrages ist für mich nicht stimmig. Liebe hat nichts mit Selbstaufgabe zu tun, das sind grundlegend zwei verschiedene Dinge. Bedingungslose Liebe können wir eh nur umsetzen, wenn wir diese zuerst uns selbst entgegen bringen, das schließt Selbstaufgabe und ähnliches von vorherein aus. Bedingungslose Liebe kann z. B auch sein, einem nahestehenden Menschen in einer Situation NICHT alles abzunehmen, weil wir ihm sonst die Möglichkeit zum Wachstum nehmen. Als Beispiel… Es beinhaltet immer, im besten Sinne für andere zu handeln. Das beste ist nicht das bequemste… (-; Liebe Grüße!

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