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+ Defintionen von Krieg      

Was ist Krieg, worin unterscheiden sich die Arten von Krieg? Welche Merkmale hat ein Krieg, und wie weit kann man diesen Begriff fassen?

+ Ursachen von Krieg         

Ist Kriege führen typisch Mensch? Warum werden Kriege geführt? Welcher Sinn bzw. was für ein Zweck soll dahinter stecken?

+ Kriege der Welt               

Wo und warum herrschen derzeit Kriege und Krisen? Was genau waren die Auslöser und wie wird derzeit damit umgegangen? Konfliktbarometer.

+ Kriegsfotografen              

Bilder, wie die Realität sie zeigt. Kriegsfotografen wie James Nachtwey setzen ihr Leben aufs Spiel, um uns die Wahrheit ein Stück näher zu bringen.

+ Kriegsliteratur                  

Hier findet ihr Geschichten, Gedichte, Texte und Lieder mit der Thematik "Krieg" und außerdem eine bunte Sammlung von Kriegszitaten.

 

Kriegsfotografen

zu den Fotos von James Nachtwey

James Nachtwey

Eindrucksvolle Bilder, stimmungsvoll und bewegend. Es liegt beinahe eine Ästhetik in diesem Grauen. James Nachtwey ist mit seiner Kamera immer ganz vorn, nicht aus sicherer Distanz fotografiert er das Geschehen, nein, er ist mittendrin, gehört vielleicht sozusagen schon dazu. Während viele über ihre Arbeit reden müssen, oder im Laufe der Jahre zynisch werden macht Nachtwey still und zielstrebig seine Arbeit. [mehr...]

 

 

 zu den Bildern von A. Paul Weber

 A. Paul Weber

Das man nicht nur mit Fotos die erschreckende Realität zeigen kann beweisen die mit viel Witz, Sarkasmus und vor allem mit Feingefühl gemalten Bilder von A. Paul Weber. Eindringlich und doch fast unmerklich wird einem der Spiegel vor die Nase gesetzt, dass einen der Wahnwitz bestimmter Entscheidungen und Handlungen deutlich wird. Beziehen sich seine Bilder doch eher auf die Vergangenheit, so erkennt der aufmerksame Betrachter, dass die Geschichte noch heute in uns weiterlebt. [mehr...]

 

 

zur Fotogalerie

Kollateralschaden

Durch tagtägliche Zuschüttung von Fotos und Filmen die Grausamkeiten aller Art zeigen sind wir total an Bilder des Krieges gewöhnt. Während des Abendessens sieht man wie auf eine Stadt Bomben fallen - und falls es einen noch berührt, schüttelt man den Kopf. Meine kleine Fotogalerie möchte anregen, Leid und Unrecht aus einer anderen Perspektive auf sich wirken zu lassen. Sich Zeit zu nehmen für die Trauer, den Wahnsinn, den wir Menschen auf der Welt verzapfen. [mehr...]

 

 

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james nachtwey 

James Nachtwey

- Kurzbiographie

- Interviews

- über den Film "Warphotographer"

- Fotos von Nachtwey

- Links:

        [Homepage von Nachtwey (Fotos)]

        [Homepage Warphotographer]

        [Pressemappe Warphotographer (pdf)]

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über James Nachtwey

James Nachtwey wurde 1948 im US-Bundesstaat Massachusetts geboren und studierte später Kunstgeschichte- und Politikwissenschaften. Bewegt und schockiert von den Bildern über den Vietnam-Krieg Anfang der 70er Jahre entschied er sich schließlich Kriegsfotograf zu werden. Zuerst wurde er Assistent eines Nachrichtenredakteurs bei NBC in New York, 1976 endlich Lokalfotograf in New Mexico und ab 1980 arbeitete er als freier Fotograf in New York. Seitdem reist er durch die Welt und portraitiert Krisen und Kriege, alle Risiken dabei auf sich nehmend.  So erlebte er beispielsweise den Nordirlandkonflikt, die Bürgerkriege Lateinamerikas, den Nahost-Konflikt im Libanon, in Israel und den besetzten Gebieten, Hungerkrisen in Afrika, den Massenmord in Ruanda, den Krieg in Afghanistan... Wie man das alles so sachlich aufzählen kann ist natürlich verwundernswert. Jeder genannte Punkt bedeutet Leid für viele viele Menschen. Von 1986 bis 2001 war James Nachtwey Mitglied der Fotoagentur "Magnum" und 2002 erschien der Dokumentarfilm "the warphotographer" über ihn.

 

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A. Paul Weber

A. Paul Weber

- Kurzbiographie

- Bilder/Lithographien von A. Paul Weber

- Links

Preise:

1955 Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein

1963 Hans-Thoma-Medaille

1971 zum Professor ernannt

1971 erhielt das Große Bundesverdienstkreuz

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über A. Paul Weber

1883 in Thüringen geboren fand Andreas Paul Weber seine Liebe zum Land und zur Natur durch die Bewegung "Jugendwandervogel". Als er im ersten Weltkrieg als Eisenbahnpionier diente war er nebenbei Zeichner und Karikaturist für die Zeitschrift der 10. Armee. Mit seiner Frau Toni Klander hatte er fünf Kinder. Sein Handwerk wurde als erstes durch Buchillustrationen von zB "Till Eulenspiegel" und "Der Zeitgenosse" zum Beruf. Seit 1928 arbeite Weber mit dem 'Widerstandskreis' um Ernst Niekisch zusammen, in dem er Mitherausgeber der Zeitschrift "Widerstand" war und für den Widerstands-Verlag zahlreiche poltische und satirische Illustrationen anfertigte. Im Juli 1937 wurde deswegen verhaftet und bis Dezember in Hamburg-Fuhlsbüttel, in Berlin und Nürnberg gefangen gehalten. 1939 - 1941 arbeitete Weber an dem Bilderzyklus "Reichtum aus Tränen" (Britische Bilder), die im Nibelungen-Verlag Berlin veröffentlicht wurden. 1944/45 wurde er zum Kriegsdienst herangezogen, dem er sich auch nicht verweigerte. Nach Kriegsende widmete er sich voll und ganz seiner Kritik an Staat und Gesellschaft, indem er satirisch die menschlichen Schwächen zu Papier brachte. Hauptaugenmerk waren dabei die Missstände in Politik, Kirche, Justiz, Wirtschaft, Kunst, Medizin und Umwelt. A. Paul Weber verstarb 1980 und hinterließ einige tausend kleine und große Werke.

Links

- Weber-Museum - ausführliche Informationen zu Leben und Werk, bitte [hier] klicken

- Kunstgalerie Steinbeisser - Bilder mit Erläuterungen, bitte [hier] klicken

 

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Interview mit Nachtwey

Interview vom Tagesspiegel

Haben Sie immer eine Kamera dabei, wenn Sie das Haus verlassen?

Arbeiten Sie immer im Auftrag eines Magazins oder auch auf eigene Faust?

Wann beginnen Sie sich fär ein Thema zu interessieren?

Kann die Reportagefotografie gegen die schnellere Konkurrenz von Fernsehen und Internet bestehen?

Wieviele Kriege haben sie schon erlebt?

Mussten Sie je um Ihr Leben färchten?

Haben Sie Angst?

Kriegsfotografen gelten als Zyniker. Sie haben viel Leid, Terror und Angst gesehen: Hat Sie das abgestumpft?

Sollen Ihre Fotos die Welt verbessern?

Muss man kaltblätig sein, um ein gutes Foto zu machen?

Hat Ihre Arbeit Sie verändert? Auf welche Weise?

Haben Sie Szenen erlebt, die zu grausam waren, um sie zu fotografieren?

Wissen Sie, was aus dem jungen Hutu geworden ist?

Glauben Sie noch an das Gute im Menschen?

Haben Sie immer eine Kamera dabei, wenn Sie das Haus verlassen?

Nein, nie. Ich bin nur deshalb Fotograf geworden, weil ich soziale Konflikte beschreiben mächte.

Das Bild, das sich die äffentlichkeit von einem Kriegsfotografen macht, sieht anders aus: Ein einsamer Held, der in einer Tarnjacke seinen Storys hinterherjagt.

Ich bin kein Jäger. Mir geht es mehr um eine Haltung. Ich glaube, dass ich einen wichtigen sozialen Auftrag erfälle, im Dienst der äffentlichkeit.

In den letzten zwanzig Jahren gab es kein Krisengebiet, das Sie nicht fotografiert haben. Arbeiten Sie immer im Auftrag eines Magazins oder auch auf eigene Faust?

Fast alle Geschichten entwickle ich selbstständig. Danach gehe ich zu Magazinen und bespreche das Thema. Hauptsächlich mit dem "Time Magazine", manchmal aber auch mit dem "Stern". Meistens kann ich sie äberzeugen, die Geschichte zu bringen. Manchmal sind sie aber auch gar nicht interessiert. Dann mache ich mich auf eigenes Risiko auf den Weg und versuche später, das Material zu veräffentlichen.

Wann beginnen Sie sich fär ein Thema zu interessieren?

Das ist unterschiedlich. Manchmal lese ich eine Meldung in einer Zeitung oder häre etwas im Radio. Dann setze ich mich in die Bibliothek und recherchiere die Hintergrände. Manchmal beschäftige ich auch einen Rechercheur. Oft bleibt mir dafär allerdings keine Zeit. Geschichte wartet nicht. Man muss sich sofort auf den Weg machen, um vor Ort zu sein, wenn es passiert. Die Recherche findet im Feld statt.

Wenn Sie zuräckkehren, bringen Sie Fotos mit, die schon Wochen alt sind. Kann die Reportagefotografie gegen die schnellere Konkurrenz von Fernsehen und Internet bestehen?

Geschwindigkeit ist nicht immer das Wichtigste. Im Fall eines aktuellen Ereignisses ist das Internet sicher schneller. Aber ich arbeite auf einer anderen, tieferen Ebene. Mit einem persänlicheren Zugang. Und wenn es sich um einen langfristigen Prozess handelt, muss ich nicht der Erste sein.

Sie sind nach Ruanda, nach Afghanistan, nach Somalia gefahren, als niemand sonst es tat.

Das ist wahr. Ich will nicht nur einen Krieg fotografieren, sondern auch seine Folgen. Sobald eine Geschichte keinen Nachrichtenwert mehr besitzt, bin ich allein.

Wieviele Kriege haben sie schon erlebt?

Ich habe sie nicht gezählt. Viele, seit 1981.

Mussten Sie je um Ihr Leben färchten?

Ich war in einer Menge Situationen, in denen mein Leben in Gefahr war.

Zum Beispiel?

Sie mächten, dass ich Ihnen eine Kriegsgeschichte erzähle? Ich weiä nicht. Ich wurde in Gefechte verwickelt, in denen Menschen, so nahe wie Sie jetzt neben mir sitzen, von einer Kugel getroffen und getätet wurden. Auf mich wurde geschossen, wurden Raketen abgefeuert und Bomben abgeworfen - wie Sie sich vorstellen kännen, wenn es um Krieg geht. Ich bin in Hinterhalte geraten, musste Minenfelder durchqueren. Immer wieder ist sowas passiert.

Haben Sie Angst gehabt?

Ich weiä genau, was geschehen kann. Ich bin mir der Folgen sehr bewusst und glaube nicht, dass mich irgendetwas schätzen wärde. Man muss sehr aufmerksam sein und sehen, was um einen herum vorgeht, um im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen. Es ist eine ständige Gratwanderung zwischen äberleben und einen Job erledigen - ihn gut erledigen, effektiv. Denn wenn meine Arbeit nicht effektiv ist, gibt es keinen Grund, dass ich äberhaupt da bin.

Sie brauchen auch Gläck?

Es kann ganz hilfreich sein. Kriegsreporter bewegen sich durch eine Umwelt, die geschaffen wurde, um zu täten und zu zerstären. Wer in sie eindringt, kann selbst zerstärt werden. Ohne vorherige Warnung.

Kriegsfotografen gelten als Zyniker. Sie haben viel Leid, Terror und Angst gesehen: Hat Sie das abgestumpft?

Zynisch wäre, aufzugeben, weil man glaubt, nichts auszurichten. Das wäre so einfach. Kriegsreporter, die kontinuierlich Einfluss zu nehmen versuchen, sind alles andere als abgebrähte Cowboys.

Sollen Ihre Fotos die Welt verbessern?

Meine Bilder allein kännen nichts bewirken. Aber sie sind ein Beitrag zu dem Bemähen von vielen anderen Menschen. Die äffentliche Meinung kann Druck auf die politischen Entscheidungsträger ausäben, um Missständen abzuhelfen. Meine Aufgabe ist es, fär eine Sensibilisierung zu sorgen.

Lohnt es sich, dafär sein Leben zu riskieren?

Ich habe es sehr oft getan. Also sollte meine Antwort, nehme ich an, lauten: Ja.

Weckt ständig präsente Gewalt nicht das Bedärfnis, sich emotional abzuschotten?

Im Gegenteil. Ich muss mich emotional äffnen, wenn ich mich dem Leiden einer vom Krieg heimgesuchten Bevälkerung aussetze. Andernfalls werde ich kein eindrucksvolles Bild aufnehmen kännen. Ich mächte die Leute mit meinen Fotos bewegen, also muss ich selbst empfänglich sein. Meine Gefähle mässen in Bilder umgeleitet werden.

Kännen Sie nach Ihren Reportagen nachts noch schlafen?

Ja, weil ich vällig erschäpft bin.

Muss man kaltblätig sein, um ein gutes Foto zu machen?

"Kaltblätig" ist nicht der angemessene Ausdruck. Meine Arbeit erfordert Disziplin, Training, einen Sinn fär das Wesentliche. Um ein berährendes Foto zu schieäen, muss man sich selbst, seine ängste und visuellen Instinkte kontrollieren kännen. Es wärde keinem Fotografen nätzen, vor dem Grauen zuräckzuschrecken und zu sagen: Das kann ich nicht mitansehen. Ich muss mit Dingen umgehen, die mir unangehm sind, die mich wätend oder sehr traurig machen. Stellen Sie sich vor, ein Arzt wärde sich angeekelt vor einem Verletzten abwenden. Es ist auch fär ihn schlimm, aber er weiä, warum er es tun muss.

Hat Ihre Arbeit Sie verändert? Auf welche Weise?

Ich weiä nicht mehr, was fär ein Mensch ich mit 20 gewesen bin. Deshalb fällt es mir schwer, die Veränderung zu beschreiben. Aber meine Wertschätzung des Lebens, einzelner Menschen und was sie durchmachen, ist seither gewiss enorm gestiegen. Auch weiä ich heute, wie stark Menschen im Angesicht schlimmster Verluste sein kännen, mit welcher Kraft sie ihr Leben fortsetzen und sich um ihre Familie kämmern.

Was war das erste Bild, das sie verkauft haben?

Ich verkaufe meine Bilder nicht - sie werden veräffentlicht. Mich interessiert nicht kommerzieller Erfolg, sondern Kommunikation. Aber um Ihre Frage zu beantworten: An das erste veräffentlichte Bild erinnere ich mich nicht mehr.

Eines ihrer berähmtesten Fotos zeigt einen jungen Hutu, dessen Kopf von Machetenhieben gezeichnet ist. Wissen Sie, was aus ihm geworden ist?

Nein. Ein Jahr nach den Aufnahmen habe ich versucht, ihn wiederzufinden. Aber ich konnte ihn nirgendwo auftreiben. Ich fragte bei Hilfsorganisationen nach, aber niemand konnte seine Spur ausfindig machen. Ich wusste seinen Namen, den ich mir auf einem Zettel notiert hatte. Auäerdem hätten ihn seine auffälligen Narben identifiziert. Trotzdem war er verschwunden.

Ist es schwer mit den Leuten in Kontakt zu bleiben, die sie fotografiert haben?

Es ist nahezu unmäglich. Das ist der Preis dafär, ein ausländischer Journalist zu sein.

Haben Sie Szenen erlebt, die zu grausam waren, um sie zu fotografieren?

Ich war Zeuge von extrem grausamen Dingen, die ich lieber nicht gesehen hätte. Aber ich glaube, ich wäre meiner Pflicht nicht nachgekommen, wenn ich sie nicht fotografiert hätte. Deshalb war ich ja da. Es wäre falsch, meine eigene Arbeit zu zensieren, weil sie mir Albträume bereitet. Meine Abscheu muss ich fär mich behalten - und später bewältigen. Ich selber bin nicht wichtig. Was zählt, sind die Bilder.

Glauben Sie noch an das Gute im Menschen?

In jedem von uns gibt es einander bekämpfende Kräfte. Das ist die Realität. Weil es bäse Seiten in uns gibt. Das heiät aber nicht, dass ich den Glauben and das Gute in uns verloren hätte. Ich versuche, ständig daran zu appellieren - das Unakzeptable nicht hinzunehmen. Den Sinn fär den Unterschied von guten und schlechten Eigenschaften zu stärken. Und die Bereitschaft nicht zu verlieren, sich mit anderen zu identifizieren. Das sind die besten menschlichen Instinkte. Meine Bilder versuchen, sie zu wecken.

Wo werden Sie Ihre nächsten Fotos machen?

Ich rede nicht äber Bilder, die ich noch nicht gemacht habe.

-Interview von Kai Mäller und Christian Schräder, Quelle-



Was Menschen tun

Von Andreas Kilb, 28. Dezember 2003

Wo immer von James Nachtwey die Rede ist, liest man, er sei ein Kriegsfotograf, und er selbst behauptet es auch. Aber es stimmt nicht. Nachtwey fotografiert nicht den Krieg. Er fotografiert Menschen, die den Krieg erleiden. Das ist ein Unterschied ums Ganze. Nachtwey zeigt keine Panzer im Gefecht, sondern Waisenkinder, die in ausgebrannten Panzern spielen. Er zeigt nicht den Granateneinschlag, sondern den tschetschenischen Jungen, dem die Granate beide Beine abgerissen hat und der an Nachtweys Kamera vorbei ins Leere schaut, als müßte er sich entschuldigen für das, was von ihm geblieben ist. Er zeigt nicht die Massaker in Ruanda, sondern ihre halbverwesten Opfer, die in kleinen Haufen auf den Straßen und in Kirchen liegen, und die Macheten der Täter, die einen viel größeren Haufen bilden, einen Schrotthaufen des Grauens. Der Heckenschütze aus dem bosnischen Bürgerkrieg, den Nachtwey fotografiert, ist einfach ein Mann mit einem Gewehr in der Hand am Fenster eines Wohnzimmers, vielleicht seines eigenen, vielleicht eines fremden. Und der sterbende Taliban-Kämpfer in der Stadt Kundus ist ein anderer Mann ohne Uniform, der mit einer Waffe neben sich auf der Straße liegt, während sein Blut, das wie verschüttetes Spülwasser aussieht, aus ihm herausfließt. Sein Körper ist wie ein Fragezeichen gekrümmt, und man kann sehen, wie seine Beine strampeln und sein geöffneter Mund schreit, und sich vorstellen, wie das Strampeln dann langsamer und das Schreien leiser werden werden wird; und diesen Moment, in dem der Schock des Getroffenseins aufhört und der Todeskampf beginnt, hat Nachtwey festgehalten. "Seht her", sagt diese Fotografie, aber nicht: "Seht her!" Sie will uns nicht blenden mit dem Schrecken dieser Welt, sie will etwas zeigen, ruhig, sachlich, genau.

family shots

Im C/O Berlin, dem "Cultural Forum for Photography", sind nun knapp 140 Fotos von James Nachtwey zu sehen, in Serien geordnet, ein repräsentativer Querschnitt seines Werks. Wie bei vielen Querschnitten müßte man auch hier Schwachstellen erwarten, Wiederholungen, Leerläufe; aber es gibt sie nicht. Kein Bild Nachtweys gleicht dem anderen, weil kein Mensch dem anderen gleicht. Die Choleratoten in den Flüchtlingscamps zwischen Ruanda und Zaire, die mit Bulldozern in Gruben geschoben oder auf Lastwagen weggekarrt werden, sehen anders aus als die Hungertoten in Somalia oder die Bürgerkriegstoten in Bosnien-Hercegovina. Die Kinder in den rumänischen Waisenhäusern sind auf andere Weise nackt und hilflos als die Kinder in Afrika und in den Elendsvierteln von Jakarta.

Jedes Elend ist spezifisch, jede Qual hat ihre besondere Signatur, die entziffert werden will. Diese Entzifferung besorgen Nachtweys Fotos. Sie stellen die Toten, die Gezeichneten, die Verlorenen in den Kontext ihrer Verlorenheit, sie sind family shots des Grauens, so wie es family movies vom bürgerlichen Alltag gibt. In Christian Freis Dokumentarfilm "War Photographer", der vor einiger Zeit bei uns im Kino lief, kann man sehen, wie Nachtwey zu seinen Aufnahmen gelangt. Er stellt sich den Leuten vor, die er porträtiert, gibt ihnen die Hand, redet mit seiner leisen, sonoren Stimme auf sie ein, bis sie ihn in ihr Haus lassen, ihre Hütte, an ihr Krankenbett, ins Totenzimmer ihrer Kinder, Nachbarn, Geschwister. Er hat den bosnischen Totenwäschern die Hand geschüttelt, die den armlosen Rumpf des gefallenen Soldaten abspritzen, den rumänischen Hilfsschwestern, die die aidskranken Waisenkinder tragen, kleine, kompakte Bündel aus Augen und Knochen, und dem beinamputierten Jungen in Tschetschenien. Historiograph des weltweiten Bürgerkriegs

Diese Hände sieht man auch auf Nachtweys Bildern: Hände am Abzug, am Drücker, Hände, die im Todeskampf verkrampft sind, Hände, die die Toten bergen. Ein Foto aus Somalia, entstanden 1992, zeigt ein verhungertes Kind, das in ein Grabtuch eingenäht wird. Von den drei Frauen, die diese Arbeit verrichten, erkennt man nur die Arme, die Fingerspitzen, die den toten Jungen mit unendlicher Vorsicht zurechtlegen, während eine weitere Hand schon das Tuch anhebt, in dem er verschwinden wird. Es ist ein Bild ohne jede Rhetorik, die Beschreibung eines einfachen Vorgangs, und doch gleicht es frühneuzeitlichen Darstellungen der Beweinung Christi, weil in ihm ebenso wie in den Gemälden die Trauer ganz in die Gestik der Personen geflossen ist, in die Finger und Hände, die jene Tränen zu weinen scheinen, welche die Augen nicht mehr vergießen können.

Und dann bemerkt man, daß dieses Kind schön ist. Nicht einfach hübsch, sondern überirdisch schön, von einer Schönheit, wie sie vielleicht nur den Toten und ihren Abbildern eignet. Es gibt Leute, die den Fotos von James Nachtwey vorwerfen, sie seien zu schön, zu ästhetisch, zu bewußt komponiert, aber ebensogut könnte man diesem Kind vorwerfen, es sehe zu gut aus für ein Hungeropfer. Die ästhetische Qualität von Nachtweys Aufnahmen schärft unseren Blick auf das, was sie zeigen, sie verwandelt das Gesehene in ein Bild, das zurückschaut. Es ist ein Album der Menschheit, das hier entsteht, eine Bestandsaufnahme des späten zwanzigsten und frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts, verfaßt mit der sachlichen Kälte eines Xenophon oder Thukydides. Vielleicht sollte man Nachtwey eher einen Bildchronisten nennen, einen Historiographen des weltweiten Bürgerkriegs, zu dem der Krieg der Staaten und Blöcke ausgeartet ist.

Mitgefühl, hat Susan Sontag in ihrem neuen Buch geschrieben, sei eine instabile Emotion; es müsse in Handlung übersetzt werden, oder es zerfalle. Bei Nachtwey aber zerfällt nichts, die Wut und die Trauer nehmen nicht ab, sooft man diese Fotos betrachtet. Das liegt daran, daß sie mehr transportieren als Nachrichten. Ihre Wahrheit erschöpft sich nicht im Dokumentarischen, sie rührt an das, was hinter allem Mitgefühl steckt: Selbsterkenntnis. "Das bist du", sagen diese Bilder. "Das sind deine Kinder, deine Verwandten und Freunde - morgen, übermorgen, wer weiß. Alles ist möglich." Man verläßt die Ausstellung mit dem Gefühl, keinen festen Boden mehr unter den Füßen zu haben. Alles kann geschehen, denn alles ist schon passiert. Vor einigen Tagen wurde James Nachtwey auf einer Patrouillenfahrt im Irak schwer verletzt. In kritischem Zustand liegt er im amerikanischen Militärkrankenhaus in Landstuhl. Seine Bilder kommen ohne ihn zurecht. Sie schreien für sich.

Quelle: http://www.faz.net/