Gesellschaft

Wo sind all die guten Bäcker hin?

In fast jedem Supermarkt gibt es inzwischen Selbstbedienungsbrotläden. Super praktisch, so ist der Brotkauf gleich beim Einkauf mit erledigt. Und das Brot sieht auch noch lecker aus.

Dass der Bäcker aber nicht im Haus sitzt und im hinteren Ladenteil gar nicht bäckt, sondern dass dort nur Öfen zum Auftauen von Teiglingen stehen, ist vielen Konsumenten gar nicht bewusst.

Bäcker wiegt die Zutaten ab
Von Hand gebackenes Brot ist inzwischen eine Seltenheit geworden

Das Bild vom Bäcker, der drei Uhr nachts in der Backstube sitzt und den Brotteig knetet, ist eine alte romantische Vorstellung. Solche Handwerksbäckereien sind vom Aussterben bedroht. Einer der letzten Bäcker seiner Art in und um Ratzeburg ist Dirk Oldenburg.

Nur selten ist dem Verbraucher bewusst, dass das Brot im Discounter teilweise schon Wochen alt ist.

Was die Kunden tatsächlich nur noch hier bekommen, ist Frische: „Unser Brot ist jeden Morgen ganz frisch. Jedes Brötchen, das wir machen, wird auch wirklich angefasst.“ Ganz im Gegensatz zu den Broten, die im Discounter zu finden sind.

Brot aus dem Discounter – Aufbackware

Diese stammen aus riesigen Backfabriken, die ihre Brote maschinell herstellen und mit vielen Zusatzstoffen und Backtriebmitteln versehen. Für alles gibt es das chemische Enzym-Doping: die richtige Feuchtigkeit, bessere Haltbarkeit, Teiggängigkeit… Auch die Liste der erlaubten Zusatzstoffe ist lang: Azodicarboxamid, Benzoylperoxid, Calciumperoxid… und diese müssen noch nicht einmal deklariert werden, weil sie angeblich beim Backen zerfallen. Brote vom Fließband sehen dennoch so aus, als kämen sie direkt aus einer dörflichen Backstube. „Die versuchen natürlich auch ganz bewusst, einen Handwerkstouch hinzukriegen. Krustenbrot zum Beispiel, kriegen sie überall, ist ein bisschen ungleichmäßig aufgerissen.“ weiß Bäckermeister Oldenburg zu berichten.

Geselle schiebt Brot in den Ofen
Nach dem Kneten per Hand kommt das Brot in den Ofen.

Nur selten ist dem Verbraucher bewusst, dass das Brot im Discounter teilweise schon Wochen alt ist. Es stammt aus osteuropäischen und sogar asiatischen Backfabriken, wo es vorgebacken und eingefroren wird. Später gelangt es dann an ein Distributionszentrum, das die Ware an die Verkaufsstellen verteilt. Bestellung per Katalog. Hier wird das Brot nur noch für den Kunden aufgebacken. Als „frisch“ kann man das nicht gelten lassen, argumentiert Oldenburg: „Das ist so wie aufgewärmtes Essen. Kann einem ja egal sein, Hauptsache warm. Aber es ist nun mal ein Unterschied: ob es ein paar Stunden vorher noch Mehl, Wasser, Hefe war – oder ob es in Kunststoff eingeschweißt und lange gelagert wurde, bevor es in der Filiale landet.“ Daher sind die Brötchen aus dem Discounter auch nach einem halben Tag steinhart, wirklich frisches Brot hält sich einfach länger. 

Regionaler Familienbetrieb – die Kleinbäckerei

Seit vier Generationenbäckt die Familie Oldenburg schon. Urgroßvater Heinrich aus Utecht hatte damals die Georgsberger Mühle in Ratzeburg übernommen. Da wurde das Mehl noch selbst gemahlen. Heute stammt es weiterhin aus der Region: Oldenburg bezieht sein Mehl seit 40 Jahren von der Hobbersdorfer Mühle. Großvater Heinrich hatte sich neben dem Bäckereibetrieb noch am Verkauf von Heizöl und Kohle probiert. Das Geschäft ging an seinen Sohn Jochen, der schließlich die Backstube seinem Sohn Dirk, dem jetzigen Bäckermeister vermacht hat. Ein Familienbetrieb durch und durch: „Ich wollt das eigentlich schon immer machen.“ erklärt Dirk Oldenburg. Wenn das Bäckereigeschäft dann noch interessant ist, könne er sich auch gut vorstellen, dass sein Sohn die Backstube später übernimmt. Die Arbeit als Bäckermeister war für ihn schon immer sehr reizvoll. Auch wenn ein Bäckerleben viel Arbeit bedeutet, sei es dafür aber „etwas, worauf man nachher stolz sein kann.“

Brot wird eingepinselt
Ein traditioneller Bäcker muss um Mitternacht zur Arbeit aufstehen.

Doch die Realität hat auch vor der Bäckerei Oldenburg nicht halt gemacht: Seit Jahren in einem Discounter in Bahnhofsnähe ansässig, hat dieser nun selbst einen Aufbackautomaten. Oldenburg darf am Standort bleiben, mit der Auflage nichts zu backen, was drinnen die Kunden kaufen sollen. Die anderen Standorte laufen mal gut, mal weniger gut. Daher setzt Oldenburg jetzt auf ein touristisches Konzept: selbst gebackene Torten am Pavillon der Schifffahrt. Das Café ist gerade bei Sommerwetter ein Kundenmagnet.  Wer Wert auf wirklich frisches Brot legt, dem bleiben in unserer Region neben Bäcker Oldenburg noch die beiden Biohöfe Fredeburg und Lämmerhof. Diese beziehen ihr Brot aus Handwerksbäckereien in Schwerin und Schürensöhlen. Ob Dirk Oldenburg selbst auch mal die Supermarkt-Aufbackbrötchen esse? „Nur wenn ich muss. Doch schmecken tun sie mir nicht. “ wehrt Oldenburg ab. „Sie schmecken so ein bisschen nach Karton, haben einen gewissen Muffgeschmack.“

Daher lautet die erste Frage am Urlaubsort immer: „Wo gibt es hier noch einen guten Bäcker?“ Solange es sie noch zu finden gibt.


Dieser Artikel erschien ursprünglich im Jahre 2015 im „Unser Herzogtum„, als es noch in den Händen vom Herzogtum Direkt lag.

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