In Greifswald gibt es heute zum Frühstück Waffeln – vor dem Amtsgericht und nur aus Zutaten, die eigentlich schon in der Mülltonne gelandet waren. Hier versammelt sich eine Gruppe von Menschen, die aus Protest gegen Lebensmittelverschwendung „containern“ gehen. Das heißt, sie steigen in die Mülltonnen, die hinter den Supermärkten stehen, und fischen sich das noch brauchbare Essen heraus. „Die meisten Lebensmittel sind ja verpackt, und somit noch gut genießbar“ versichert mir Max, der sich für ein Interview bereit erklärt hat. (Am Ende dieses Artikels könnt ihr euch mein Gespräch mit ihm in ungekürzter Fassung anhören.)
Vor der Gruppe von Demonstrierenden liegt aufgebahrt ein ganzer Teppich von Futtereien. Allesamt aus der Tonne gerettet. Bei meiner Recherche bin ich über den recht putzigen Begriff „Mülltauchen“ gestolpert. Ich finde, der führt in die Irre: Lebensmittelretter tauchen ja nicht nach Müll, sondern nach Brot, Joghurt, Gemüse – Lebensmittel, die einen langen Produktionsweg hinter sich haben und viel zu schade dafür sind, als Abfall behandelt zu werden.
Der Grund für die kleine Ansammlung der rund 30 Aktivisten ist ein aktuell geführter Prozess gegen eine Person, die beim Containern bei einem Greifswalder Penny-Markt „erwischt“ wurde. Denn das Klettern über den Zaun, um an die Mülltonnen zu gelangen, gilt als Hausfriedensbruch. Auf diese Weise wird aber etwas kriminalisiert, was doch eher nobel und notwendig ist. Lebensmittel, die noch verzehrt werden können sollten nicht weggeschmissen werden!
„Eine Vernichtung der Überproduktion von Nahrungsmitteln, die mehrheitlich zuvor vom Steuerzahler subventioniert wurden, verschwendet nicht nur Steuergelder, sondern zugleich Ressourcen.“ [1]Zitat aus: „Kann denn Müll Sünde sein?“ – Text von M. Malkus
M. Malkus, Rechtsanwalt aus Leipzig
Man könnte sich ein Beispiel an Frankreich nehmen. Seit 2016 ist es dort großen Supermärkten nicht mehr erlaubt, Lebensmittel wegzuschmeißen.[2]Den Anstoß für das Anti-Wegwerf-Gesetz in Frankreich gab eine Aktion von Arash Derambarsh, der 2015 sechs Wochen lang öffentlichkeitswirksam „ausrangierte“ Lebensmittel vor einem … Continue reading Sie müssen stattdessen an Bedürftige verteilt werden, sonst drohen saftige Geldstrafen.[3]Italien („Gute-Samariter-Gesetz“), Österreich und Tschechien haben inzwischen ähnliche Gesetze erlassen
Ungekürztes Interview
Hier könnt ihr mein Gespräch mit einem der Aktivisten nachhören:
Das heutige Resultat ist übrigens: Terminverschiebung! Wichtige Zeugen (wie der anonyme Anrufer, der den Vorfall gemeldet hat) sind einfach nicht aufgetaucht.
weiterführende Links
- Magazin für Restkultur
- Erarbeitung von Lösungsideen – eine Stellungnahme vom Rechtsanwalt Max Malkus auf bundestag.de | Archivlink
- foodsharing.de – Plattform zum Teilen und Retten von Lebensmitteln
Quellen und weitere Hinweise
↑1 | Zitat aus: „Kann denn Müll Sünde sein?“ – Text von M. Malkus |
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↑2 | Den Anstoß für das Anti-Wegwerf-Gesetz in Frankreich gab eine Aktion von Arash Derambarsh, der 2015 sechs Wochen lang öffentlichkeitswirksam „ausrangierte“ Lebensmittel vor einem Supermarkt in Courbevoie verteilte – Quelle: sueddeutsche.de | Archivlink |
↑3 | Italien („Gute-Samariter-Gesetz“), Österreich und Tschechien haben inzwischen ähnliche Gesetze erlassen |