Die Situation im Nahen Osten mag den Anschein erwecken, Juden und Araber seien so sehr verfeindet, dass ein friedliches Zusammenleben unvorstellbar ist. Von den acht Millionen Einwohnern Israels sind ein Fünftel Araber. Normalerweise leben die beiden Gruppen in komplett getrennten Welten. Sie sind Nachbarn, doch kennen sich kaum. Führen ihr eigenes Leben in separaten Gemeinschaften und schicken ihre Kinder in verschiedene Schulen. Dass dem nicht so sein muss, beweisen zahlreiche Friedensinitiativen, unter ihnen auch arabisch-jüdische Bildungsstätten.
Die Max-Rayne-Hand-in-Hand-Schule in Jerusalem ist eines dieser Projekte. Mit 624 Schülern vom Kindergarten bis zur Oberstufe ist sie die einzige integrative Schule in Jerusalem und die größte bilinguale Bildungseinrichtung in Israel überhaupt. 1998 auf Initiative von engagierten arabischen und jüdischen Eltern gegründet, erfreut sich die Schule an stetig wachsenden Schülerzahlen. „Ehrlich gesagt startete das Ganze nur als ein kleiner Traum, der nach und nach größer wurde – und inzwischen auch wahr!“ meint lächelnd Nadia Kinani in einem Interview für den aktuellen Imagefilm der Einrichtung. Vor über zehn Jahren kam sie als arabische Grundschullehrerin an diese Schule. Mittlerweile ist sie Direktorin – zusammen mit ihrem jüdischen Kollegen Arik Saporta.
Was macht die Schule so besonders?
Hier stehen das Arabische und das Jüdische gleichberechtigt nebeneinander. Das zeigt sich besonders deutlich am bilingualen Unterricht: Je eine jüdische und eine arabische Lehrkraft unterrichten die Klasse gemeinsam. Beispielsweise wird ein Sachverhalt auf hebräisch erklärt und von der anderen Lehrkraft auf arabisch ergänzt. So lernen die Schüler die Sprache ihrer Mitmenschen spielerisch von Klein auf. Auch die religiösen und nationalen Feiertage werden gemeinsam zelebriert. Aktuelle Konflikte und Krisen werden im respektvollen Dialog erörtert. Die Kinder lernen es, zuzuhören und einander mitfühlend zu verstehen. Auch die ansonsten gegensätzlich wahrgenommene Geschichte wird aus beiden Perspektiven beleuchtet.
Selbst der Standort der Schule nimmt symbolische Bedeutung an. Nachdem der alte Campus durch den ständigen Zulauf neuer Schüler aus allen Nähten platzte, wurde 2008 ein neues Gebäude fertiggestellt. Die Schule befindet sich nun im Viertel Katamonim unweit von der sogenannten Grünen Linie. Diese unsichtbare Grenze teilt Jerusalem in Ost (für die palästinensische Bevölkerung) und West (für die jüdische Bevölkerung). Menschen aus Ostjerusalem können sich in Jerusalem und ganz Israel frei bewegen, wohingegen die Palästinenser aus dem Westjordanland erst eine Erlaubnis beantragen müssen und auch Menschen jüdischer Herkunft nicht ungefährdet in den Osten der Stadt gehen können. Die Schule gerade eben an dieser Stelle schafft es eine Brücke zu schlagen zwischen beiden Polen. Um den Schulalltag herum bilden sich soziale Aktivitäten, Sport und Spiel, Elterngruppen und gemeinsame Ausflüge. Eine Insel von Frieden und Toleranz inmitten des zuweilen gewaltbesetzten und angsterfüllten Alltags.
Nicht alles rosa im Paradies
Doch auch die Hand-in-Hand-Schule hat mit den Herausforderungen der Lebenswirklichkeit vor Ort zu kämpfen. Inmitten des brodelnden Jerusalemer Kochtopfes wird auch die Hand-in-Hand-Schule immer wieder Gegenstand von Anfeindungen. Muslimische Eltern müssen sich anhören, ihre Kinder würden zu Juden erzogen. Jüdische Familien sehen sich mit der Frage konfrontiert, wie man denn mit Terroristen kooperieren könne. Ihren Gipfel fanden die Missbilligungen jüngst im November: Als nämlich drei jüdische Extremisten (18- bis 22-jährige Mitglieder der Lehava, einer Organisation, die Ehen zwischen Juden und Nicht-Juden zu verhindern sucht) einen Brandanschlag auf die Schule ausübten. Dabei wurde ein Klassenzimmer der Grundschule komplett zerstört. Geschäftsführer Shuli Dichter gab daraufhin offiziell bekannt: „Sie mögen vielleicht unsere Wände beschmutzen, aber unsere Arbeit können sie nicht zerstören.“ Rund zweitausend Bürger drückten anlässlich des Brandanschlages ihr Mitgefühl in Kundgebungen und Demonstrationen aus. Unter Bannern wie „Stoppt den Rassismus!“ und „Juden und Araber weigern sich, Feinde zu sein!“ zeigten sie, dass solcherlei Vorfälle sie eher zusammenschweißen denn auseinanderbringen können.
Grundsteine für eine friedvolle Zukunft
Von den anderthalb Millionen Schülern Israels geht nur ein verschwindend geringer Teil auf alternative multikulturelle Schulen. Umso wichtiger sind Projekte wie die Hand-in-Hand-Schule in Jerusalem, in denen Respekt und Toleranz nicht nur gepredigt, sondern auch tatsächlich gelebt werden. Mittlerweile gibt es im gesamten Land fünf Hand-in-Hand-Schulen mit rund 1100 Schülern. Glücklicherweise wächst mit jedem neuen Schüler auch der Elternkreis und der Einflussbereich der integrativen Schulen, die auf eine so farbenfrohe Art zeigen, dass ein anderer Weg möglich ist.
Friedensprojekte in Israel und Palästina
Für mich ist es wichtig, dass Friedensprojekte ins Bewusstsein der Menschen gerückt werden. In den Nachrichten bekommt man fast immer nur von den Problemen und Gewalttaten zu hören. Da ist es kein Wunder, dass man glaubt: „Die spinnen doch!“ Jedoch: Wenn wir auch den friedvollen Stimmen unser Ohr leihen, wenn wir denen unsere Aufmerksamkeit schenken, die gewaltfrei protestieren, dann geben wir DIESER FRIEDENSBEWEGUNG gleichzeitig mehr Macht!
Lest also unbedingt auch meine andern Artikel über bereits existierende Friedensprojekte!