Alles tun für einen Hauch von Liebe? Autorengespräch mit Julia Kathan

julia kathan liebessuchtWie überwinde ich meine Liebessucht?

Julia Kathan, Jahrgang 1969, lebt in Köln und bietet Coaching und Seminare zum Thema Selbstliebe und Liebessucht.

Wir sprachen über ihr Buch „Alles für ein bisschen Liebe?“ [meine Rezension lesen]

 

Du schreibst in deinem Buch, dass du selbst einmal liebessüchtig warst. Worin hat sich das gezeigt?

Als Teenie war ich fixiert auf jemanden, der nur Interesse an Freundschaft hatte. Der hatte auch ein Alkoholproblem. Ich hab ihn retten wollen, war jederzeit für ihn verfügbar – immer mit der geheimen Sehnsucht im Hinterkopf, eines Tages würde er mich endlich „erkennen“. Was natürlich nie geschah.

Ein weiteres klassisches Beispiel war, als ich 28 war. Als meine damalige Beziehung in die Brüche ging, hab ich komplett den Boden unter den Füßen verloren. Ich hab ein Jahr in tiefer Depression verbracht, habe jeden Tag geweint, hatte jeden Morgen Panikattacken und wollte mir am liebsten das Leben nehmen.

Deine Welt brach also zusammen, weil du glaubtest, ohne ihn hat das Leben keinen Sinn mehr?

Wir wurden leider nicht erzogen mit dem Gefühl, es gibt so viele Männer in der Welt wie Haare auf deinem Kopf. Nein, du musst auf jeden Fall „den Einen“ finden und Familie gründen, und das ist dann das Glück. Dann dreht es sich immer nur um die Frage: Was kann ich tun, damit er mir Aufmerksamkeit und Liebe schenkt… Sei schön, sei schlank, mach dich interessant und rar… Doch das genau ist der Holzweg. Wer ein gesundes Selbstwertgefühl hat, für den steht das gar nicht zur Debatte, sich jemanden zu suchen, der nie da ist. Warum gibt der andere mir nicht, was ich brauche? Der tut das nicht, weil das mein Leben ist! Der bereits in der Kindheit erfahrene Mangel wiederholt sich pausenlos.

Es gibt so viele Männer wie Haare auf deinem Kopf.

Wie hast du es geschafft, deine Liebessucht zu überwinden?

Dass ich so am Boden zerstört war, als ich verlassen wurde, habe ich als Anlass genommen, das Licht in mir selbst zu suchen. Das war überlebensnotwendig. Ich bin mit zwei Koffern nach Los Angeles für eine Schauspielausbildung gegangen und war wild entschlossen, mein inneres Glück kennenzulernen. Ich traf auf viele spirituelle Lehrer, u. a. auch auf einen wundervollen älteren Hawaiianer, der an mich glaubte und mir meine Essenzen spiegelte. Durch ihn konnte ich allmählich erkennen, dass ich wertvoller war, als es mir erschien. Ich widmete mich immer mehr meiner Selbstliebe und übte mich darin meine innere Mitte zu pflegen. Wie das Leben so spielt, folgte dann eine heftige Prüfung: Ich traf einen Italiener, die Liebe meines Lebens, doch er war verheiratet, lebte in Italien und sprach so gut wie gar kein Englisch. Sich in einen Mann zu verlieben, mit dem ich offensichtlich nicht zusammen sein konnte, war eine total brutale Phase, in der ich mich intensiv mit dem Thema „Liebesabhängigkeit“ auseinandersetzen musste. Rückblickend sehe ich diese Zeit als eine Art Ausbildung an, denn es war unendlich schwer damit umzugehen, gleichzeitig konnte ich jedoch sehr viel aus dieser enormen Herausforderung lernen.

Wäre es nicht besser gewesen, dich zu trennen? Was haben deine Freunde dir geraten?

Von allen Seiten hörte ich nur: Lass ihn los! Dieser erhobene Zeigefinger war überhaupt nicht ermutigend. Wie sollte ich loslassen können, wenn ich noch nicht einmal wusste, wie das geht? Wenn es kein Danach gab, keine Alternative? Es ist eine Illusion zu glauben, ich trenne mich und damit sind alle Probleme gelöst. Es geht darum, den Mut zu haben, bei sich selbst anzufangen. Also die komplette Verantwortung für das eigene Glück zu übernehmen! Loslassen bedeutet also nicht, den anderen zu verlieren, sondern die Abhängigkeit aufzugeben und sich selbst wirklich kennenzulernen und immer mehr zu anzunehmen und zu schätzen.

Liegt in der Liebessucht also auch eine Chance?

Auf jeden Fall! Ich sehe es im Nachhinein als totales Glück an, dass ich diesen chronischen  Liebeskummer hatte, weil ich mich dadurch entwickeln konnte. Man sollte Beziehungssucht nicht nur als Manko ansehen (zumal es ja nicht so ist, dass es auf der einen Seite liebessüchtige Frauen gibt und auf der anderen Seite ein Heer von denen, die kein Problem haben) – sondern auch erkennen, dass die Beschäftigung mit diesen Schwierigkeiten ein Weg zu einer glücklichen Beziehung mit dir selbst ist. Du gewinnst etwas total wertvolles, da du herausfindest, wie du zu deinem inneren Kern kommst.

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Hier findest du die Teilnahmebedingungen:

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Und wie ging die Geschichte mit deinem Italiener weiter?

Ich hab es geschafft, die inneren Ursachen zu verändern. Sodass der Weg im Außen auch frei werden konnte. Das hat vier Jahre gedauert, aber dann ist dieses Wunder passiert und wir sind zusammen gezogen und haben uns für ein Kind entschieden. Und wie das so ist, wenn man das erste Hindernis gemeistert ist, legt das Leben neue Latten auf. Als wir dann endlich zusammen lebten, musste ich mich im ABC der Liebe beweisen. Bis dato hatte ich ja nur Beziehungen geführt bis zu dem Punkt, wie es illusionär schön ist. Jetzt musste ich mich solchen Fragen stellen wie, wer ist denn nun dieser Mensch, dem ich vier Jahre hinterher gelaufen bin. Vom Thema Liebessucht fühle ich mich inzwischen sehr entfernt, aber deswegen bin ich kein wandelnder Liebesautomat, der ständig Liebe ausspuckt.

Du schreibst in deinem Buch von einer Liebe ohne Gegenleistung. Hat denn, wer wahrhaft liebt, gar keine Ansprüche mehr?

Es ist für die Menschen heutzutage eine seltsame Vorstellung, jemandem ohne Erwartung einer Gegenleistung zu begegnen. Dabei ist bedingungslose Liebe unsere Essenz. Wir müssen uns nur darauf zurückbesinnen. Unter uns gesagt, meine Katzen sind meine Zen-Meister. Die sind schon im Rhythmus mit sich, und die leben gemäß ihrer Natur und da ist eben auch ganz viel Liebe drin. Jeder, der ein Haustier hat, liebt es auch einfach so, und nicht, weil es dir etwas gibt. Und das Tier zeigt dir auch bedingungslose Liebe. Ich bin sicher, die Welt würde ein bisschen besser aussehen, wenn wir uns ein Beispiel an den Tieren nehmen würden. Es geht also darum zu sagen: Ich fühle mich wohl mit mir und teile das, wie ich bin, mit dir. Und freue mich an deiner Gegenwart.

Ich bin die Person, auf die ich die ganze Zeit gewartet habe.

Was kann ich tun, um meine Muster zu durchbrechen?

Dein Partner tut dir den Gefallen und zeigt dir, wo du immer noch nicht mit dir im Reinen bist. Im Grunde könntest du dich auch bedanken dafür. Ich sage: Versuch mal herauszufinden, wie kostbar du bist. Dass du das nicht mehr im Außen nach Bestätigung suchen musst, sondern Erfüllung und Selbstannahme in dir selbst findest. Dafür gibt es gibt glücklicherweise viele Techniken und Wege. Sei es Hypnose, Meditation, The Work nach Byron Katie oder Selbstprozesse in der Natur … Hätte ich damals davon gewusst, wäre ich viel schneller da rausgekommen… Eine Methode, die ich auch in meinem Buch beschreibe ist die des haiwaiianischen Ho’oponopono. Es ist eine rituelle Übung des Verzeihens. Dabei geht es darum, eine emotionale Ladung in sich aufzuspüren – etwas was dich wütend oder traurig macht. Und oft merkst du dann, dass du enttäuscht von dir selbst bist, dich in diese Situation manövriert zu haben. Du bereust, dass du dich nicht anders verhalten hast.

Also geht es darum, mir selbst zu vergeben?

Genau, zu erkennen, dass alles mit dir selbst zu tun hat, weil du unbewusst bestimmte Glaubensmuster abspielst und innerlich noch nicht so heil, bewusst und unbeschwert bist, diese entkräften und „überschreiben“ zu können. Alles, was dir passiert hat auch mit dir zu tun. Du erkennst irgendwann, dass du eine unbewusste, innere Beteiligung an den Dingen in dir trägst. Im Grunde bedeutet an Groll festzuhalten, dass man sich selbst Leid zufügt. Und das alles, was du anderen zufügst, du dir selbst antust. Das zu erkennen tut am meisten weh. Es braucht viel Mut und auch Leidensdruck, Kummer, Schuldzuweisungen und Groll endlich loszulassen. Und dann geht es darum, viel Geduld und Mitgefühl für dich zu haben. Da kommst du aber nicht in drei Tagen hin. Dir ist etwas passiert als Kind, da warst du wirklich Opfer! Und bis heute sitzt die Kleine immer noch im Keller und weint und möchte getröstet werden. Es ist an der Zeit mit dem Kind in dir Kontakt aufzunehmen, es zu umarmen, seinen Kummer zu registrieren und sich zu sagen: „Ich (selbst) bin die Person, auf die ich die ganze Zeit gewartet habe.“ Und: „Ich liebe mich“.

 

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Foto: Alexis Mire

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